Title : Badener Perlen
Location : public space, Baden bei Wien
Client : Province of Lower Austria
Completed 1998
Dimensions : Ø 65 x 40 cm
Material : concrete, light
(construction: Werkstatt Kollerschlag, Firma Machata)
Photo Christian Wachter
Rupert Doblhammer
Mehr Licht! – die Badener Perlen als Lichtzeiger für einen Skulpturenweg in Baden
Das Künstlerteam Prinzgau /podgorschek entwickelte im Auftrag des Kunstverein Baden 1998 für die Stadt Baden „eine Art Leitsystem“ (Susanne Neuburger) für Kunstobjekte im öffentlichen Raum. Im Rahmen eines vom Land Niederösterreich geförderten Projektes für die Aktion „Kunst im öffentlichen Raum“ wurden 1998 als Beginn vier dieser Kunst-Zeiger eines Skulpturenweges aufgestellt. Die als „Badener Perlen“ bezeichneten Objekte sollten einzelne Kunstwerke, die sich im Außenraum bzw. in öffentlichen Gebäuden befinden, „beleuchten und beschriften“ . Die Grundkonzeption des als „Badener Perlen“ bezeichneten Kunstwegweisers umfasst etwa dreißig Arbeiten. Bis Dezember 2004 waren den vier ersten Perlen noch keine nachgefolgt.
Abb. 1: Lichtstrahl als Kunstzeiger: eine Badener Perle in Aktion (PRINZGAU/ Podgorschek)
Die Intention der Badener Perlen ist nach Susanne Neuburger (2001) einen „Gruppen-zusammenhang aller etwa dreißig Arbeiten herzustellen, die Baden als Denkmäler bzw. Skulpturen im öffentlichen Raum aufweisen kann“. Die ursprüngliche gedachte Eingliederung von Objekten in öffentlichen Gebäuden (Neuburger 2000) – so etwa in einem Schulgebäude – wurde aus Grund der erschwerten Zugänglichkeit und Installation inzwischen verworfen . Susanne Neuburger apostrophiert im Film „Paarläufer“ über das Werk von PRINZGAU/ podgorschek die Badener Perlen als fast kuratorischen Eingriff, der statt Installationen ein Wegweisersystem erstellt .
Die als Lichtzeiger konzipierten Wegweiser wurden von dem Künstlerteam Wolfgang Prinz-gau und Brigitte Podgorschek als schlichte Betonzylinder konzipiert. Die Umsetzung erfolgte durch die Werkstatt Kollerschlag in den Materialien Beton, Nirosta und Licht. Hier treffen sich die Intentionen von PRINZGAU/podgorschek mit den Brüdern Baumüller, deren
“ grundsätzliches Anliegen es ist, Objekte nicht nur für die traditionellen ,Schutzzonen` wie Museen, Galerien und private Sammlungen zu produzieren, sondern Skulpturen und Installationen im öffentlichen Raum zu etablieren“ (Homepage der Werkstatt Kollerschlag, 18. Jänner 05).
Das Resultat der Zusammenarbeit von PRINZGAU/podgorschek und der Werkstatt Koller-schlag beeindruckt durch schlichte und reduzierte Ästhetik. Die Sprache des Beton als für alle möglichen Zwecke verwendetes Material erzählt von Schlichtheit, Zurückgenommenheit und einer im Außenraum notwendigen Robustheit gegenüber Fremdeinwirkungen. Die Form – der Zylinder als die dritte Dimension des Kreises – ist unaufdringlich und spielt mit der Verwechselbarkeit mit sonstiger technischer Infrastruktur.
PRINZGAU/podgorschek verweisen die gesellschaftlichen Bedingungen des öffentlichen Raums und pflegen eine solidarische Haltung gegenüber den durch das Leitsystem hervorgehobenen Kunstobjekten. Diese ästhetische Zurückhaltung ermöglicht die Kombination unterschiedlichster Skulpturen bei gleichzeitiger Kontextualisierung derselben.
Abb. 2: Entwurfszeichnung für den Prototyp der Badener Perlen (Faxpapier: PRINZGAU/ Podgorschek)
Abb. 3: Eine Badener Perle in der Werkstatt Kollerschlag (Foto: PRINZGAU/podgorschek)
Eine Badener Perle besteht aus einem Betonzylinder und einem Deckel. Seine Dimensionen sind 74,5cm im Durchmesser und 48 cm in der Höhe, der Deckel misst 7,5cm. Damit bietet sich die Verwendung als Sitzmöbel an – eine von PRINZGAU/ Podgorschek intendierte Nebenbei-Nutzung. „Das Konzept besteht darin, dem Passanten, durch erspähen einer nächtlichen Lichtspur oder durch die Erfahrung eines Sitzens bzw. Stehens auf einem Betonzylinder, den Weg zu weisen “ (PRINZGAU/podgorschek).
Abb.4: Die mit gefärbten Beton hergestellten Perlen werden in der Werkstatt durch die Künstlerin lasiert (Foto: PRINZGAU/podgorschek)
Abb. 5: Eine der als Betonzylinder konzipierten Badener Perlen mit Spuren rötlicher Färbung sieben Jahre nach ihrer Aufstellung im Gutenbrunner Park
Die Konzeption der Badener Perlen sieht eine Differenzierung der Betonmodel als Reaktion auf den Aufstellungsort nach Farben vor: Schwefelgelb vor dem Kunsthaus, Blau für die Reiterstatue im Kurpark und Rot für den Gutenbrunner Park. Heute lässt sich an den be-stehenden vier Betonzylindern die ehemalige Färbung nur bedingt ausmachen, durch die Wirkungen des Außenraums ist die Färbung bereichsweise unkenntlich: Ein Zylinder weist eine rötliche Färbung in Bereichen des Ringes auf (siehe Foto).
Abb. 6: Die vier Badener Perlen und ihre Aufstellungsorte im Dezember 2004
Abb. 7: Aufstellung und Montage (Foto: PRINZGAU/podgorschek)
Die vier bis heute hergestellten und aufgestellten Badener Perlen stehen auf öffentlichen Grund in Parkanlagen (Kurpark, Gutenbrunner Park) oder im Vorbereich von öffentlichen Gebäuden (Kurtherme, Josefsplatz). Die Kunstobjekte für vier Perlen wurden bei einer ge-meinsamen Begehung zwischen Vertretern des Kunstvereins und den Künstlerteam ausgewählt. Neben der Funktion (die Herstellung eines Lichtstrahls auf das ausgewählte Objekt) scheint das Diktat der Nicht-Beeinträchtigung des Fuß- und Fahrverkehrs entscheidend für die Lage der Perlen am jeweiligen Ort gewesen zu sein. Die Perlen liegen im Rasen einer öffentlichen Parkanlage, am Rand eines Zierbeetes, auf der Kiesdecke des Baumhains im Kurpark und im Schatten eines Lichtmasten auf einen öffentlichem Platz. Werden mehrere Objekte – wie im Gutenbrunner Park – an einem Ort bestrahlt, erfolgt die Bestrahlung zentral von einer zentral aufgestellten Perle aus. Die angestrebte Nebenbei-Nutzung des Sitzplatzes könnte für manche der Perlen besser gelöst sein – optimal scheint die Aufstellung im Gutenbrunner Park, wenn auch die große Distanz zu den Gehwegen die dort platzierte Perle wenig in das Blickfeld des zufällig am Weg spazierenden fällt.
Abb. 8: Ein Beispiel für die Kennzeichnung und Positionsangabe der Skulpturen auf der Oberfläche der Badener Perlen
Als optischer Zeiger und Bezugssystem zwischen dem Leitsystem und den Objekten dient „eine Lichtspur“ und der in den Beton eingravierte Name der Künstlerin oder der Künstlerin und das Aufstellungsdatum des von der Badener Perle angestrahlten Kunstobjektes. Die gravierten Namen stehen normal zu einem gedachten Sehstrahl zum gemeinten Kunstobjekt – dadurch ist eine Lokalisierung bzw. Identifizierung auch bei Tageslicht möglich. Eine der vier Perlen verweist mit ihren Lichtspuren in der Nacht auf drei Kunstobjekte zugleich.
Abb. 9: Die von den Badener Perlen derzeit ausgewählten Kunstobjekte von links nach rechts: Der Brunnen von Olzant (1992), „Hygieia“ von Vock (1928), „Modul B 97“ von Szuts (1997) in der oberen Zeile und „Aus dem Wäldchen“ von Maderna (1995), „Der Wagen“ von Hoke (1996) und „Der Nackte Reiter“ von Müllner (1908) in der unteren.
Badener Perlen – Die Künstler, ihre Werke und der Aufstellungsort ihrer Objekte:
J. Müllner 1908, Reiterstatue (versetzt) — Kurpark
F. Vock 1928, Figur der Hygieia -Vorplatz der Römertherme Baden
F. X. Olzant 1992 – Brunnen vor dem Josefplatz
B. Szuts 1997, Modul B 97″ – Gutenbrunner Park
T. Hoke 1996, „Der Wagen“ – Gutenbrunner Park
M. Maderna 1995, „Aus dem Wäldchen“ – Gutenbrunner Park
Die derzeitige Auswahl hebt Werke aus dem 20. Jahrhundert hervor. Denkmäler, wie ur-sprünglich beabsichtigt wurden bis jetzt nicht berücksichtigt.
Mit dem Anstrahlen der Objekte vom Boden aus ist das Problem der Blendwirkung ver-bunden. Obwohl die Lichter der Badener Perlen mit verstellbaren Blenden versehen wurden , kam es zu Beschwerden wegen Blendungen von PassantInnen . Die Perle im Kurpark wurde anscheinend deswegen nachträglich versetzt.
Der Anspruch eines durchgehenden Leitsystems und die damit verbundene Bezeichnung eines Skulpturenweges steht im Widerspruch zur derzeitigen Situation. Ist der Bezug zwischen Zei-gendem und Gezeigtem in der Nacht durch den Lichtstrahl „einleuchtend“, so wird bei Tages-licht für die BetrachterInnen die Bezugnahme zwischen Kunstobjekt und dem Zeiger zur Spurensuche. Der Bezug zwischen dem Leitsystem und den Skulpturen wird erst nach eingehender Beschäftigung bzw. Sensibilisierung auf das Leitsystem klar. Durch die entfernte Aufstellung im öffentlichen Raum treten nutzungsbedingt temporäre Objekte (Bei der Begehung standen PKWs, ein Ringelspiel und Weihnachtschristbäume „im Weg“) zwischen den Perlen und den Ihnen zugeordneten Kunstobjekten.
Die ursprüngliche Intention eines Skulpturenweges, dh. ein Hervorheben der skulpturalen Kunst im öffentlichen Raum scheint sich zu verdrehen: weil der Anzahl an Denkmälern und Skulpturen in Baden wenige Badener Perlen gegenüberstehen, werden die Skulpturen tagsüber zum Leitsystem für die unscheinbaren Betonzylinder.
Bezeichnenderweise werden die Badener Perlen auch sieben Jahre nach der Aufstellung in Baden von den in Baden wohnende Leuten nicht registriert. Badener BürgerInnen konnten auf Anfrage den Weg zu den Perlen in der Regel nicht weisen.
Am Schluss soll das Wort der Künstler stehen:
„Die ideale Skulptur im öffentlichen Raum, schrieb der Städtebauer Camillo Sitte 1889, sei der Schneemann. Weil Kinder ihre Schneemänner dort bauten, wo der Schnee noch nicht festgetreten sei, stünden sie stets an Orten, wo niemand sie umrennt. Damit befolgen Kinder unbewusst, so Sitte, die antike und mittelalterliche Regel, ,Monumente stets an den toten Punkte des Platzverkehrs aufzustellen´. Einen Hauptvorteil von Schneemännern ließ der Städtebauer unerwähnt: Sie halten höchstens einen Winter (Zitat: Michael Mönninger, Stadtansichten).
Womit ein wesentliches Problem der Skulptur im öffentlichen Raum gelöst wäre, die Pflege. Wie schwer es ist, ein Denkmal vor Über- und Eingriffen durch unsachgemäße Betrachtung oder Berührung zu schützen, wissen die Verantwortlichen von Bau- und Stadtgartenamt vermutlich am allerbesten. Wie sehr die einzelnen Künstler unter den ungeschützten Aufstellung ihrer Arbeiten leiden, wissen am besten die Künstler. Gleich einer dünnen Haut nehmen sie jeden Riß, jeden unangebrachten Stoß als persönliche Attacke war.
Unsere Aufgabe in Baden war eine spezielle, sie galt dem ,pflegenden Blick´. Baden verfügt über eine stattliche Anzahl bemerkenswerter Arbeiten im öffentlichen Raum. Die Aufgabe war, diese dezent zu markieren. Eine Art Faden zu knüpfen, welcher im Hintergrund bleibt und nicht die Aufmerksamkeit vom Kunstwerk zieht“ (PRINZGAU/podgorschek) .
Literatur
Neuburger Susanne: PRINZGAU/ podgorschek. Beleuchtungskonzept für den Skulpturenweg in Baden. In: Öffentliche Kunst, Kunst im Freiraum Niederösterreich, Band 5, hrsg. V. Katharina Blaas-Pratscher, St. Pölten 2000.
Hofleitner, Johanna: Marianne Maderna. Stele im Gutenbrunner Park von Baden. In: Öffentliche Kunst, Kunst im Freiraum Niederösterreich, Band 5, hrsg. V. Katharina Blaas-Pratscher, St. Pölten 2000.
Grassegger, Friedrich: Barbara Szüts: Stele im Gutenbrunner Park von Baden. In: Öffentliche Kunst, Kunst im Freiraum Niederösterreich, Band 5, hrsg. V. Katharina Blaas-Pratscher, St. Pölten 2000.
Hoke, Tomas: Tomas Hoke. Objekt im Gutenbrunner Park von Baden. In: Öffentliche Kunst, Kunst im Freiraum Niederösterreich, Band 5, hrsg. V. Katharina Blaas-Pratscher, St. Pölten 2000.
Neuburger Susanne: Kunstviertel Niederösterreich. Ein Wegweiser zu zeitgenössischen Kunstprojekten im öffentlichen Raum, Wien 2001.
PRINZGAU/podgorschek: Fadenbrand. Werkschau. O.K. Centrum für Gegenwartskunst in Oberösterreich. Katalog 4/04, Linz 2004.
Alle Fotos vom Verfasser, sofern nicht anders angegeben
Im Rahmen des Projektes waren Martina Fundar und Gerhard Lindner Repräsentanten und Ansprechpersonen des Badener Kunstvereins.
Susanne Neuburger: PRINZGAU/ podgorschek: Beleuchtungskonzept für den Skulpturenweg in Baden. In: In: Öffentliche Kunst, Kunst im Freiraum Niederösterreich, Band 5, hrsg. V. Katharina Blaas-Pratscher, St. Pölten 2000. In diesem Text wird in der Überschrift ein bestehender Skulpturenweg in Baden angenommen.
Siehe die beiden Beschreibungen des Projektes durch Susanne Neuburger: Einer im Text von 2000 noch intendierten Aufstellung im Außen- wie Innenraum ist in der Beschreibung aus dem Jahre 2001 die Begrenzung auf den Außenraum gefolgt.
Vgl.: Paarläufer, Video 58´, 2004 von PRINZGAU/ podgorschek – ein Portrait über die zwanzigjährige Zusammenarbeit von PRINZGAU/ podgorschek.
Die Werkstatt Kollerschlag Kunst-Produktion & Vertrieb GsmbH
Siehe: www.werkstatt-kollerschlag.com/art/frameset.html
Von der Pflege öffentlicher Stolpersteine, unveröffentlichtes Manuskript, o.O.
Die Angaben zu der Färbung der Badener Perlen entstammen einem Gespräch zwischen PRINZGAU/ podgorschek mit dem Verfasser am 17. Jänner im Wiener Atelier der Künstler im 2. Wiener Gemeindebezirk.
Nach Aussage von PRINZGAU/podgorschek sind die Blenden so einstellbar, dass Blendeffekte hintangehalten werden können.
Vgl. dazu ein Schreiben des Stadtgartendirektor der Stadt Baden an den Architekten Lindner über Blendeffekte im Gutenbrunner-Park und im Kurpark vom 5. November 1998.
Unveröffentlichtes Manuskript, siehe Anm. 7.